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Die Aufnahme zeigt Teilnehmer einer Kurden-Demonstration 27. Januar 2018 in Köln gegen die türkische Militäroffensive in Nordsyrien.

Im nicht islamistischen auslandsbezogenen Extremismus finden sich Organisationen mit Ideologieelementen aus dem Rechts- und Linksextremismus sowie Organisationen, die separatistische Bestrebungen in ihren Heimatländern verfolgen. Insoweit handelt es sich also nicht um ein einheitliches, tendenziell bündnisfähiges Spektrum, sondern um ganz unterschiedliche Interessensgruppen, von denen einige nur anlassbezogen untereinander oder mit deutschen linksextremistischen Gruppierungen zusammenarbeiten. Die Situation in den jeweiligen Bezugsregionen sowie die Vorgaben der dortigen zentralen Organisationseinheiten bestimmen überwiegend Politik, Strategie und Aktionen der Strukturen in Deutschland. In ihren Heimatländern wollen diese Organisationen meist drastische Veränderungen der politischen Verhältnisse herbeiführen, dort oftmals auch durch den Einsatz von Gewalt und Terror.

Damit verstoßen die von Deutschland aus agierenden extremistischen Organisationen mit Auslandsbezug gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Darüber hinaus können sie auch die innere Sicherheit gefährden, indem sie die Konflikte aus den Bezugsregionen untereinander hierzulande fortführen und gegeneinander austragen Den meisten dieser Organisationen gilt Deutschland als sicherer Rückzugsraum. Von hier aus unterstützen sie ihre Heimatorganisationen vor allem propagandistisch, häufig aber auch durch den Nachschub von Geld, Material oder neu rekrutierten Kämpfern. Hierdurch gefährden sie ferner die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland.

„Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK)

Die PKK unterliegt in Deutschland seit 1993 einem Betätigungsverbot. Seit 2002 wird sie zudem auf der EU-Terrorliste geführt. Der PKK werden aktuell rund 14.500 Personen in Deutschland zugeordnet. Zu den zentralen Forderungen der PKK gehören die Anerkennung der kurdischen Identität sowie eine politische und kulturelle Autonomie der Kurden in ihren türkischen und syrischen Siedlungsgebieten.

Trotz des Verbots ist die PKK nach wie vor die schlagkräftigste extremistische Organisation mit Auslandsbezug in Deutschland. Sie ist in der Lage, Personen weit über den Kreis der eigenen Anhängerschaft hinaus zu mobilisieren. Ihre Strukturen ermöglichen zudem eine zügige Umsetzung neuer strategischer und taktischer Vorgaben bis hin zu einer möglichen Neubelebung militanter Aktionsformen.

Die PKK unterhält in den kurdischen Siedlungsgebieten in der Türkei und im Nordirak Guerillaeinheiten, die sogenannten Volksverteidigungskräfte (HPG). Seit Beginn des Jahres 2016 intensivierte das türkische Militär seine Kampfhandlungen gegen die PKK und deren Guerillaeinheiten. Dabei kommt es sowohl im Süden der Türkei als auch in den Siedlungsgebieten in Nordsyrien und im Nordirak immer wieder zu Kämpfen. Der Konflikt wird dabei auch durch Anschläge der PKK-Guerillaeinheiten auf Angehörige der türkischen Sicherheitskräfte geprägt und verschärft, bei denen oftmals Soldaten oder Polizisten und mitunter auch vereinzelt Personen aus der Zivilbevölkerung verletzt oder getötet werden.

Die Aktivitäten der PKK-Anhänger in Deutschland werden vor allem von folgenden Faktoren bestimmt:

Die Aufnahme zeigt den kurdischen Separatistenführer Abdullah Öcalan im Juni 1997 mit einer amerikanischen M16-Maschinenpistole im Bekaa-Tal im Libanon.
picture-alliance / dpa | epa AFP
  • den anhaltenden militärischen Auseinandersetzungen mit türkischen Sicherheitskräften in der Heimatregion,
  • der Sorge um den Gesundheitszustand und die Haftsituation des auf der türkischen Gefängnisinsel İmralı inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan,
  • dem Vorgehen der türkischen Regierung gegen die PKK sowie ihr nahestehende Organisationen und Parteien.

Krisenhafte Entwicklungen und Ereignisse in den kurdischen Siedlungsgebieten in der Türkei, in Nordsyrien oder dem Nordirak haben stets auch unmittelbare Auswirkungen auf die Aktivitäten der PKK-Anhänger und damit auf die Sicherheitslage in Deutschland. Kommt es zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und der PKK in der Heimatregion, nehmen auch in Deutschland die Spannungen zwischen den Anhängern der entgegengesetzten politischen Lager zu.

Wenngleich in Europa weitgehend störungsfrei verlaufende Veranstaltungen im Vordergrund stehen, bleibt Gewalt eine Option in der PKK-Ideologie. Das wird nicht zuletzt durch in Deutschland durchgeführte Rekrutierungen von Kämpfern für die Guerillaeinheiten deutlich. Aufgrund der nach wie vor angespannten Lage in den kurdischen Siedlungsgebieten bemüht sich die PKK intensiv darum, in Deutschland Personen für die Guerillaeinheiten der Organisation anzuwerben. Vor allem die Jugendorganisation der PKK ist maßgeblich für die Rekrutierungsaktivitäten in Deutschland und Europa verantwortlich. Rückkehrer nach Deutschland mit Kampferfahrung aus Kriegsgebieten stellen eine erhebliche Gefährdung für die innere Sicherheit dar.

Die Aufnahme zeigt ein Demonstrationsgeschen während einer Kundgebung zum kurdischen Frühjahrsfest Newroz am 18. März 2017 in Frankfurt am Main.
picture alliance / Boris Roessler/dpa | Boris Roessler

Hintergrund-Artikel: „Rekrutierung von Kämpfern für die PKK in Deutschland“

Türkische linksextremistische Organisationen

Allen türkischen Linksextremisten gemeinsam ist das Ziel, die Gesellschaftsordnung in der Türkei und die dortige politische Führung zu destabilisieren und letztlich zu überwinden. Ihre Agitation richtet sich daher insbesondere gegen das türkische Staats- und Verfassungssystem und gegen die von ihnen als „Oligarchie“ bezeichnete Regierung.

In Deutschland verfügen die türkischen linksextremistischen Gruppierungen über rund 2.550 Anhänger. Dies sind vor allem die

  • „Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front“ (DHKP-C) mit etwa 650 Anhängern,
  • „Türkische Kommunistische Partei-Marxisten-Leninisten“ (TKP-ML) mit etwa 650 Anhängern,
  • „Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten“ (TKP/ML) mit etwa 150 Anhängern,
  • „Marxistische Leninistische Kommunistische Partei“ (MLKP) mit nahezu 600 Anhängern.

Die „Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front“ (DHKP-C) ist die bedeutendste Organisation des türkischen linksextremistischen Spektrums. Sie spricht sich für eine revolutionäre Zerschlagung der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung in der Türkei aus und zielt auf die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft.

Als Hauptfeinde gelten die als „faschistisch“ und „oligarchisch“ bezeichnete Türkei und die USA, denn der von dort ausgehende „US-Imperialismus“ dominiere die Türkei in politischer, wirtschaftlicher und vor allem militärischer Hinsicht. Die DHKP-C bekennt sich in der Türkei zu einer Vielzahl von terroristischen Anschlägen gegen Angehörige und Einrichtungen von Sicherheitsbehörden und der Justiz.

Flagge der DHKP-C
chelovek / iStock / Getty Images Plus

In Deutschland unterliegt die DHKP-C seit 1998 einem Organisationsverbot. Ihre politisch-propagandistischen Aktivitäten entfaltet die DHKP-C hierzulande daher unter Tarnbezeichnungen. So tritt sie beispielsweise als „Volksfront“ („Halk Cephesi“) oder unter dem Namen ihrer Jugendorganisation „Devrimci Gençlik“ („Dev Genç“) auf. Die bisher als Tarnorganisation verwendete „Anatolische Föderation“ („Anadolu Federasyonu“) wird zunehmend durch sogenannte Volksräte ersetzt. So bezeichnen sich mehrere örtliche DHKP-C-Vereine nunmehr neu als „Volksrat“ („Halk Meclis“).

Gewalttaten und Attentate der DHKP-C in der Türkei stoßen unter den Anhängern hierzulande auf große Resonanz und werden seitens der Organisation als wichtiges Mittel zur Stärkung des Zusammenhalts und der Motivation angesehen. Die DHKP-C betrachtet Deutschland zwar als „Ruheraum“, zeigt jedoch mit ihren Gedenkveranstaltungen für „Märtyrer“, dass auch die in Deutschland lebenden Anhänger die Parteilinie einschließlich der terroristischen Option mittragen. Die Betonung der Vorbildfunktion der „Revolutionsmärtyrer“ deutet darauf hin, dass die DHKP-C auch Deutschland beziehungsweise Europa als Rekrutierungsbasis für neue Kader und potenzielle Attentäter betrachtet.

Türkischer Rechtsextremismus

Rechtsextremistische türkische Organisationen mit Bezug ins Ausland sind stark nationalistisch geprägt und messen der eigenen Volksgruppe einen höheren Stellenwert zu als anderen Ethnien. Bedeutsam ist hier vor allem die rechtsextremistische türkische „Ülkücü“-Bewegung, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts in der Türkei entstanden ist. Ziel der „Ülkücü“-Bewegung ist der Schutz des Türkentums sowie die Errichtung von „Turan“, einem (fiktiven) ethnisch homogenen Staat unter Führung der Türken, der die Siedlungsgebiete der Turkvölker umfasst und – je nach ideologischer Lesart – vom Balkan bis nach Westchina oder sogar bis Japan reicht.

Das Symbol des „Grauen Wolfs“ („Bozkurt“) und der sogenannte Wolfsgruß (Daumen und Finger des rechten ausgestreckten Arms formen den Kopf eines Wolfs) gelten als Erkennungszeichen der umgangssprachlich als „Graue Wölfe“ („Bozkurtlar“) bezeichneten Anhänger der „Ülkücü“-Bewegung.

Die „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V.“ (ADÜTDF) ist der größte „Ülkücü“-Dachverband in Deutschland. Sie ist die Auslandsorganisation der extrem nationalistischen türkischen „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP), die im türkischen Parlament vertreten ist. In Deutschland sind in über 200 lokalen Vereinen etwa 7.000 Mitglieder als Träger und Multiplikatoren der Ideologie organisiert. Nach außen hin ist die ADÜTDF um ein gesetzeskonformes Verhalten bemüht, ihre Aktivitäten sind jedoch weiterhin extremistisch geprägt.

Daneben existieren in Deutschland noch zwei weitere „Ülkücü“-Dachverbände, die einen stärker islamisch orientierten Teil der „Ülkücü“-Ideologie repräsentieren. Die „ATİB – Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e. V.“ (ATİB) hat sich im Jahr 1987 von der heutigen ADÜTDF abgespalten, ohne sich aber ideologisch neu auszurichten. In Deutschland werden dem Dachverband mit Sitz in Köln derzeit etwa 2.500 Mitglieder zugerechnet, die sich in 24 Ortsvereinen organisieren. Die „Föderation der Weltordnung in Europa“ (ANF) ist die Europaorganisation der nationalistischen türkischen „Partei der großen Einheit“ (BBP) und wurde 1994 in Deutschland gegründet. Dem Dachverband mit Sitz in Ludwigshafen am Rhein werden hierzulande derzeit etwa 15 Ortsvereine mit insgesamt etwa 1.000 Mitgliedern zugeordnet.

Neben der verbandlich organisierten „Ülkücü“-Anhängerschaft werden etwa 1.600 Personen weiteren „Ülkücü“-Kleinststrukturen sowie der unorganisierten „Ülkücü“-Bewegung zugerechnet, die der gleichnamigen Ideologie folgen. Die unorganisierte „Ülkücü“-Bewegung besteht überwiegend aus jüngeren Menschen, die vor allem über die sozialen Netzwerke miteinander in Kontakt stehen. Die Türkei ist zentraler emotionaler Bezugspunkt für türkischstämmige Nationalisten und Rechtsextremisten, sodass dortige Ereignisse stets geeignet sind, die Anhänger in Deutschland zu emotionalisieren. Diese freie Szene besteht überwiegend aus jüngeren Menschen, die vor allem über die sozialen Netzwerke miteinander in Kontakt stehen, sich mitunter aber auch persönlich begegnen. Dabei pflegen sie ihre Feindbilder und agitieren gegen ihre „Gegner“. Vor allem Armenier, Griechen, Juden, Kurden und die USA werden von „Ülkücü“-Anhängern herabgewürdigt und zu „Feinden des Türkentums“ erklärt.

Drei Halbmonde und ein Wolf in weiß vor einem roten Hintergrund.

Hintergrund-Artikel: „Türkischer Rechtsextremismus in Deutschland“

Separatistische Organisationen

Separatistische Organisationen haben zum Ziel, einen Teil des Staatsgebiets ihrer Heimatländer abzutrennen, um hieraus einen neuen, eigenständigen Staat zu schaffen oder in den Grenzen eines bestehenden Staates einen neuen zu gründen. In den jeweiligen Herkunftsländern agieren sie zum Teil terroristisch.

Ein Beispiel hierfür ist die marxistisch-leninistisch geprägte „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP). Diese zählt seit ihrer Gründung im Jahr 1967 zum Spektrum der terroristischen palästinensischen Organisationen. Die PFLP lehnt die Existenz des Staates Israel ab und verfolgt das Ziel eines palästinensischen Staates in den Grenzen des historischen Palästina vor Gründung des Staates Israel mit Jerusalem als Hauptstadt. Dazu wirbt die PFLP für den bewaffneten Kampf und sucht den Schulterschluss mit anderen Organisationen, die den Staat Israel bekämpfen.

Anhänger der PFLP begehen nach wie vor terroristische Anschläge in Israel, bei denen es zum Teil auch Todesopfer gibt. Hierbei offenbart die PFLP – entgegen ihres nach außen propagierten Selbstbildes – ihren antisemitischen Charakter, indem sie Anschläge gezielt gegen jüdische Israelis richtet. In Deutschland ist die PFLP nicht terroristisch tätig. Die hier aktiven, etwa 100 aktiven Anhänger verbreiten insbesondere israelfeindliche Propaganda und versuchen, Unterstützung für ihre Agitation zu generieren.

Ein weiteres Beispiel sind die separatistischen Strukturen innerhalb der Religionsgemeinschaft der Sikhs. Politisches Ziel separatistischer Sikh-Organisationen ist die Gründung eines eigenen, von Indien unabhängigen Staates „Khalistan“ („Land der Reinen“) auf dem Gebiet des indischen Bundesstaates Punjab. Dazu operieren sie in Indien auch mit terroristischen Mitteln.

Die hierzulande ansässigen etwa 400 aktiven Anhänger extremistischer Sikh-Gruppierungen sind in Deutschland nicht terroristisch aktiv. Allerdings unterstützen sie propagandistisch die mit terroristischen Mitteln geführten Separationsbestrebungen in Indien und setzen sich auf politischer Ebene für in Indien inhaftierte „Khalistan-Aktivisten“ ein.